Am Sonntag beginnt die zweite Regionalligasaison für den FC St. Pauli. An der Linie gab es in der Sommerpause eine entscheidende Änderung. Nach dem Rücktritt des langjährigen erfolgreichen Kai Czarnowski übernahm dessen Co-Trainerin Lina "Chaly" Rosemann das Kommando. Damit setzt auch der FC St. Pauli auf einen neuen Trend, der Trainer-Talenten wie Julian Nagelsmann oder Domenico Tedesco vertraut. Vor einem Jahr stieß die Inhaberin der Trainer-B-Lizenz vom SC Sternschanze zum FC St. St. Pauli und unterstützte Czarnowski. Kurz vor dem Start in die neue Spielzeit sprach die 26-Jährige mit mir über die Vorbereitung und die Neuen im Team.
Wie schauen Eure Saisonziele aus, Chaly?
Wir wollen erst einmal ankommen, uns als Team, auch wenn wir vom Kader her grundsätzlich gleich geblieben sind, neu finden. Aber wir versuchen, auch nicht zu viel zu verändern. Wir haben drei neue Spielerinnen und sind im Gespräch mit noch einer weiteren. Wir haben uns vorgenommen, dass sich das Team erst einmal an die neue Situation gewöhnen kann. Darum geht es erst einmal hauptsächlich. Wir wollen die Liga halten und so gut abschneiden wie möglich. Also, wenn Luft nach oben ist, wenn man merkt, da geht nach oben was, dann wollen wir in einem ähnlichen Bereich landen wie letzte Saison. Ich glaube, ein dritter Platz wird diese Saison deutlich schwerer, weil die Gegner vorbereiteter auf unsere Stärken sein werden. Außerdem denke ich, dass sich die Liga einen Tick verstärkt hat. Zum Beispiel hat Jesteburg einige gute Neuzugänge.
Und im Pokal?
Im Pokal wünschen sich alle den Pokalsieg. Doch der Pokal ist zweitrangig zur Liga. Der Ligabetrieb ist wichtiger, aber natürlich wünschen wir uns auch da ein möglichst weites Kommen. Finale wäre schon schön. Doch ein wenig Glück gehört zum Pokal dazu.
Im Erwachsenenbereich bist Du das erste Mal mit 26 Jahren als Haupttrainerin tätig. Denkst Du, es könnte Autoritätsprobleme geben, denn Du bist ja gleichaltrig mit vielen aus dem Team?
Oder teilweise jünger! Als ich vor einem Jahr am Anfang mit Kai gesprochen habe, habe ich gesagt, wenn wir nach ein paar Wochen merken, das klappt nicht, die Spielerinnen nehmen mich nicht an, dann gehe ich auch wieder. Damit habe ich keinerlei Probleme, dann ist das so. Und ich glaube, viele Spielerinnen dachten bei den ersten Trainingseinheiten, was will die kleine 25-Jährige mir noch beibringen. Aber das Team hat schnell verstanden, dass ich noch einiges dazu beitragen kann, wie wir uns insgesamt als Team verbessern. Bis jetzt hatte ich überhaupt nicht das Gefühl, dass irgendjemand das negativ hinterfragt.
Hast Du Dir irgendetwas vorgenommen, was Du im Vergleich zur letzten Saison ändern möchtest?
Ja, auf jeden Fall. Ziel in der Vorbereitung war die Defensive zu verstärken. Das war das Hauptaugenmerk gewesen für den Saisonstart. Wenn man sich die letzte Saison anschaut ...
38 Gegentore
Genau, es war auch Wunsch vieler Spielerinnen unter einem gewissen Schnitt von Gegentoren zu bleiben. Dort sehe ich das meiste Potenzial, wo wir noch ganz viel herausholen können, wo noch Luft nach oben ist. Wir haben wahnsinnig starke Einzelspielerinnen, die so in der Menge bei kaum einem anderen Regionalligisten vertreten sind. Wenn wir aber noch mehr gemeinsam an einem Strang ziehen, kann man da noch richtig was rausholen. Die letzte Saison war großartig, aber wir wollen immer besser werden, uns weiter entwickeln. Wir wollen versuchen, weniger Gegentore zu kriegen, aber natürlich weiterhin so kreativ nach vorne spielen wie bisher.
Kannst Du etwas zu den neuen Spielerinnen Lea Lübke, Michelle Wiehr und Paula Bodenstedt sagen?
Lea ist von DUWO gekommen. Als ich ihren Namen am Telefon gehört habe, habe ich nicht lange gezögert. Natürlich habe ich sie eingeladen, weil wir allen die Chance geben wollen, hier vorstellig zu werden. Wir wollen kein Talent verpassen. Sie hat sich hier im Training sofort gut eingefügt. Sie ist eine präsente Spielerin, die stark im Zentrum auf der Sechs oder in der Innenverteidigung spielen kann. Ich denke, sie kann auch außen spielen, ist auf vielen Positionen einsetzbar und sehr kopfballstark. Sie hat einen starken linken Fuß, ist relativ gut beidfüßig und ist ein freudiger, williger Charakter im Training. Sie hat sich super hier eingelebt. Ich habe nicht das Gefühl, dass sie erst neu da ist. Doch das ist bei den anderen beiden auch so.
Also auch bei Michelle ...
Ja, Michelle kommt von Niendorf. Sie ist eine sehr junge Spielerin. Mit 17 ist sie unser Küken. Sie hat einen wahnsinnigen Willen im Training gezeigt. Michelle ist keine, die als Stammspielerin gekommen ist, aber die wir über die Saison aufbauen wollen.
Und dann ist da noch Paula
Paula verstärkt die Defensive. Sie spielt Innenverteidigung. Sie hat ein super Aufbauspiel, kommuniziert gut - alles Themen, die für uns in der Vorbereitung wichtig waren. Da hat sie also gleich gepunktet.
Mit Jannis Zielke ist ein neuer Co-Trainer von DUWO gekommen?
Ja, Lea ist von dem Regionalliga-Team gekommen. Jannis hat dort die Zweiten Frauen vier Jahre lang trainiert und ist mit ihnen in die Oberliga aufgestiegen. Er ist also auch an einem langfristigen Weg interessiert. Wir haben viele Gespräche mit unterschiedlichsten Trainern geführt. Bei vielen hatte man immer so leicht das Gefühl, dass sie auf dem Sprung waren. Wir haben geschaut, wer möchte hier etwas entwickeln, wer möchte die Frauenabteilung an sich weiterbringen, wer hat Ideen, wer bringt viel mit, wer ist motiviert, dass auch auf dem St. Pauli-Weg zu tun. Also nicht mit einem großen Honorar oder einer Aufwandsentschädigung.
Du warst in den Gesprächen immer dabei? Auch noch jemand vom Team?
Wiebke war immer dabei. Wir haben die Aufgabe als Funktionsteam übernommen, aber das Team war eingebunden. Wir haben, sobald wir jemanden gut fanden, uns mit dem Team-Rat auch noch einmal zusammengesetzt. Es gab immer zwei Gespräche. Erst ein Vorgespräch mit Wiebke und mir und dann ein Zweitgespräch mit dem Team-Rat und uns.
Gibt es Neuigkeiten wegen des Rasenproblems?
Nein, die gibt es nicht. Wir sind da dran. Wir fragen viel rum, es gab auch ein paar Ideen, die sich aber so nicht umsetzen lassen, weil meistens die zur Verfügung stehenden Rasenplätze kein Flutlicht haben. Wir sind aber an die Abendzeit gebunden, weil wir das Ganze hier nicht hauptberuflich betreiben. Deshalb sind wir weiter auf der Suche.
Rührt daher der oft auftretende Leistungsunterschied zwischen den Heim- und Auswärtsspielen?
Genau, oft mussten wir uns eine Viertelstunde zurechtfinden, wo wir eigentlich spielen. Unser Platz ist etwa halb so groß, wie die großen Rasenplätze. Bei dem Abstand zwischen der Aus- und Strafraumlinie kann sich bei uns eine Spielerin warmlaufen. Auswärts kann man in dieser Zone oft vier gegen vier spielen, da passt teilweise noch ein Kleinfeld rein. Das darf nicht vergessen werden. Wir wollen uns besser darauf einstellen. Es wird daher unterschiedliche taktische Auslegungen für Heim- und Auswärtsspiele geben.
Chaly und das Team gehen offensichtlich optimistisch in die neue Saison. Zum Auftakt am Sonntag kommt gleich ein harter Brocken an die Feldstraße aus dem Norden. Gegen den Vierten Kiel verloren die Braun-Weißen in der Vorsaison zweimal, nur gegen Holstein verlor St. Pauli vor eigenem Publikum - es war die erste Niederlage in der Regionalliga. Anstoß wird in dieser Saison wie auch an diesem Sonntag meist um 13 Uhr sein. Für das Match wird in den sozialen Medien fleißig getrommelt, weshalb viele Fans erwartet werden. Diese werden eine Premiere erleben. Erstmals sollen Einlaufkinder die Spielerinnen auf den Rasen begleiten.
Noch kurz in eigener Sache: Aufgrund beruflicher Verpflichtungen werde ich vorerst nicht mehr so oft von den Spielen berichten können wie im Vorjahr.
Kommentar schreiben