Die wichtigste Zahl gleich zuerst: 1122 zahlende Zuschauer, also eine doppelte Schnapszahl, kamen am Himmelfahrtstag zum Hamburger Pokalendspiel zwischen Regionalligist Bergedorf 85 und dem Verbandsligisten FC St. Pauli. Die grandiose Rekordkulisse, noch nie zuvor war ein Endspiel so gut besucht worden, sollte einen grandiosen Kampf erleben.
Rund 800 St. Paulianer waren erschienen, um den Außenseiter anzufeuern. Dieser musste tatsächlich auf die am Knöchel verletzte Kapitänin Inga Schlegel verzichten, die durch Sanna Barudi gleich doppelt vertreten wurde - auf der Doppelsechs und als Kapitänin. Zudem weilte Lynn Isken im Urlaub. Ihre Rolle auf der linken Seite übernahm Verena Mannes.
Dünne Personal- und Bierlage
Die Bank war mit Sabine Merz und Antje Baumann dünn besetzt, was sich bei prallem Sonnenschein später als nachteilig erweisen sollte. Trotz der dünnen Personallage war die Grundstimmung im Team optimistisch. Wie sollte es auch anders sein angesichts der Fahnen schwenkenden und hüpfenden Fans auf der Haupttribüne.
Der Hamburger Fußballverband war offenbar überfordert mit dem großen Andrang. Die Biervorräte waren schon vor dem Pausenpfiff erschöpft. Es dauerte, bis der Nachschub eintraf.
Traumhafter Beginn
Ganz und gar nicht überfordert waren die Spielerinnen des FC St. Pauli, die in der achten Minute mit der ersten Chance durch einen wunderschönen Lupfer Linda Sellamis in Führung gingen. Doch quasi schon im Gegenzug schoss die frühere HSV-Spielerin Nadine Odzakovic nach einer abgewehrten Ecke aus 20 Metern. Der missglückte Versuch landete bei St.-Pauli-Schreck Fabienne Stejskal, die routiniert zum Ausgleich einschob.
Nach 20 Minuten hatten dann die St.-Pauli-Fans den Torschrei fast schon wieder auf den Lippen, doch Nina Philipp verpasste aus halblinker Position aus zehn Metern knapp das lange Eck. Der nächste Hieb gehörte Bergedorf und zeigt die Differenz, die beide Teams an diesem Tag trennte: Routine.
Trumpf Routine
Auf der rechten St.-Pauli-Seite ging der Ball ins Aus. Das Team war sicher, den Ball in den eigenen Reihen zu behalten. Anderer Meinung war Bergedorfs Desirée Steinike, die sich den Ball schnappte und zu Lina Appell warf. Diese bediente mit einer Hereingabe im Zentrum Torjägerin Stejskal, die erneut Torhüterin Tara Zimmermann keine Gelegenheit für eine Parade gab.
St. Pauli bot sich einmal bis zum Pausenpfiff die Chance auf den Ausgleich, als Lena Kattenbeck einen Eckball von links knapp am langen Pfosten verpasste. Bergedorf hatte die besseren Chancen, scheiterte aber mehrmals an der überragend haltenden Zimmermann. Die Pausenführung war verdient.
Nach der Pause schaltete Bergedorf einen Gang zurück und setzte auf Konter. Ergebnissicherung stand im Mittelpunkt. Der wuchtigen und unermüdlich arbeitenden Sellami sollte nicht noch einmal die Chance gegeben werden, die Defensive zu überraschen.
Wenn die Kraft ausgeht
Mit dieser Taktik lag Trainer Bastian Kurtz goldrichtig. Erneut sollte sich die Erfahrung seines Teams auszahlen. Nach einem St.-Pauli-Freistoß ergab sich die Chance für den entscheidenden Konter. Stejskal glänzte nun als Vorlagengeberin. Appel tauchte frei vor Zimmermann auf und schoss ein.
St. Pauli warf noch einmal seine kämpferischen Qualitäten in die Waagschale. Bergedorf tauschte aber drei Spielerinnen aus und fuhr den Sieg abgeklärt sein. Die Kräfte schwanden bei Braun-Weiß. Von mehreren Wadenkrämpfen geplagt, musste die läuferisch überragende Kathrin Miotke von einer Bergedorferin vom Platz getragen wurde.
Zimmermann hielt unmittelbar vor dem finalen Pfiff noch einen von Busem Seker getretenen Strafstoß. Nach Spielende dankten die Spielerinnen den Fans, um von diesen für eine kämpferisch bravouröse Leistung wiederum gefeiert zu werden. Die Liebesbekundungen waren so heftig, dass die Pokalübergabe mehrmals verschoben werden musste.
Die Aussichten
Das Fazit fällt leicht. Der Hamburger Frauenfußball erlebte einen Höhepunkt. Der Landesverband sollte darauf aufbauen und sich besser auf solche Chancen vorbereiten. Die Frauenfußballabteilung des FC St. Pauli unterstrich eine der führenden Kräfte in Hamburg zu sein mit einem enormen Potenzial.
Bergedorf war der verdiente Sieger. Wie zu hören ist, kriselt es dort aber leider im Frauenfußball. Ob das Team in der jetzigen Form nächste Saison zusammenbleibt, steht offenbar in den Sternen. Für den FC St. Pauli gilt es nun, die hervorragende Stimmung in die Relegation mitzunehmen und dort Großes zu schaffen.
Das Team wirkte nur für einen kleinen Moment enttäuscht, den Pokalsieg verpasst zu haben. Im Nachgang stach die Begeisterung über das Erlebte deutlich heraus. Dankbarkeit für den Respekt von den Rängen war deutlich vernehmbar.
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