Sicherlich habt Ihr von den angeheuerten spanischen Fans gehört, die bei den Spielen der katarischen Mannschaft für Stimmung sorgen. Ich hatte angekündigt darüber etwas zu schreiben, musste aber vorher noch Informationen einholen, was ziemlich zeitaufwendig war. Zudem habe ich diesbezüglich ein Interview mit einer Fanszene in Deutschland geführt, die eigentlich das Copyright auf diese Idee haben sollte, welches aber an dieser Stelle noch nicht veröffentlicht wird.
Nun ist es nicht so, dass das alles neu wäre, was hier passiert. Menschen, die gegen Bezahlung positive Stimmung verbreiten, werden Claqueure genannt. Wie bei so vielem Kulturellen liegt der moderne Ursprung dieser Beschäftigung in der Hauptstadt Frankreichs, genauer gesagt, rund um die Pariser Oper und den Theatern der Metropole.
Das Thema wurde auch von der UFA aufgegriffen und erhielt 1967 einen ganz neuen Anstrich, als iranische Geheimdienstmitarbeiter und deren Angehörige in Berlin den Schah jubelnd begleiteten und andersdenkende deutsche Studenten gewalttätig mit Dachlatten, Knüppeln und Totschlägern unter Beobachtung der deutschen Polizei verprügelten. Der heute gängige Begriff des Jubelpersers war geboren.
Auch beim Fußball sind Claqueure seit Jahrzehnten üblich. 1978 wurden beispielsweise Behördenmitarbeiter in die argentinischen WM-Stadien der Militärdiktatur geschickt, um die sonst leeren Tribünen zu füllen. Bei der vorletzten Fußball-WM in Südafrika waren es die Nordkoreaner, die mangels „ausreisewürdiger“ Fans, Chinesen anheuerten und dabei auf helle Begeisterung stießen.
Außerhalb des Sports bietet sich zudem ein großes Betätigungsfeld. Es sind in der Regel Konzerte, für die Einsätze gebucht werden. Ganz offen bieten Agenturen ihre Dienste im Internet an. Doch die Aktion selbst sollte geheim bleiben, damit die Glaubwürdigkeit der Künstler gewahrt bleibt. Es mag sein, dass ohne diese Manipulationen der Allgemeinheit einiges nur schwer Erträgliche erspart geblieben wäre.
Nun haben sich die Katarer dieser Methode bedient und stießen damit erst einmal auf Kritik. Doch wie gesagt, neu ist daran wenig. Cirka fünfzig Fans haben sie aus Spanien einfliegen lassen. Etwa die Hälfte stammt aus Cuenca, einer Stadt, die etwa 180 Kilometer nördlich von Madrid im Herzen Spaniens liegt.
Beim dortigen Handballclub war Zupo Equisoain jahrelang Trainer. Dieser wurde im letzten Jahr vom aktuellen Coach Katars Valero Rivera überzeugt, Juniorentrainer auf der Halbinsel zu werden. Rivera soll es auch gewesen sein, der die Idee hatte, spanische Fans zur Unterstützung seines Teams anzuheuern, damit überhaupt eine Heimatmosphäre entstünde.
Equisoain hat natürlich Kontakte zum Fanclub in Cuenca und nutzte diese. Schnell waren Teile der 2005 gegründeten La Peña Furia Conquense bereit unter gewissen Voraussetzungen mit allem Tara, die Weltmeisterschaft in Katar zu unterstützten. Blasinstrumente und Trommeln wurden eingepackt, denn die Organisatoren waren bereit, Hotel, Flug, Eintrittskarten und ein tägliches Taschengeld in Höhe von 100 Rial (etwa 20 Dollar) für jedes Mitglied der Reisegruppe zur Verfügung zu stellen.
Alles in allem dürften sich die Kosten für die Profi-Fans auf weit über 100.000 Euro belaufen. Am Mittwoch spielten die Katarer gegen Spanien, was die Fans aus Cuenca vor eine schwierige Aufgabe stellte.
Gegen das eigene Team zu agieren, was der Vertrag mit den Organisatoren vorsieht, ging ihnen dann doch ein wenig zu weit. Zumindest dem Teil der Gruppe, der aus Cuenca kommt. Deshalb entschloss sich die „ La Peña Furia Conquense“ auf das katarische Outfit „aus Respekt vor Spanien“ zu verzichten und allgemein die Stimmung in der Halle einzuheizen. Was auch gelang. Welche von den anderen großen „Fangruppen“ (Fotos unten) nun allerdings wirklich aus Handballanhänger Katars besteht oder aus weiteren Claqueuren, ist nur schwer zu verifizieren.
Ein Grund für das Verhalten der La Peña Furia Conquense mag auch die Krtik aus der Heimat gewesen sein, in der die 'Fans' oft als Verräter bezeichnet werden. Die Gruppe selbst ging von Anfang an sehr offen mit dem Thema um und bekannte sich zu ihren Verpflichtungen. Selbstironisch und ehrlich bezeichneten sie sich von Beginn als Söldner und so war die Aktion schon vor dem WM-Start in den spanischen Medien allgemein bekannt. Es war also keinesfalls investigativer Journalismus, der die Katarer entblößte.
Die Fans sehen ihre Aktion als große Gaudi. Sie besuchen Spiele der WM, haben ihren Spaß bei Ausflügen oder am Pool. Diesen teuren Spaß über drei Wochen hätten sie sich ansonsten wohl kaum gegönnt beziehungsweise leisten können.
Soweit die Lage aus Sicht der La Peña Furia Conquense. Was ist allgemein von der Aktion zu halten? Die Katarer haben hier eine Weltmeisterschaft der Superlative auf die Beine gestellt. Drei Hallen wurden in kürzester Zeit auf dem Rücken unzähliger Arbeiter gebaut und verwöhnen Spieler, Journalisten wie auch Zuschauer mit allem technischen Schnickschnack, der vorstellbar ist.
Zudem haben sich die Gastgeber eine Mannschaft zusammengekauft, die zwar so gut wie gar nicht aus heimischen Spielern besteht, aber in der Lage sein sollte, zumindest das Viertelfinale zu erreichen. Da passt es aus katarischer Sicht hervorragend, die nötigen Fans dazuzukaufen.Genau das ist geschehen.
Es wundert nicht, dass von den hiesigen Gastarbeitern es niemanden verblüfft, dass Fans eingeflogen wurden. Dieses Verhalten wird sozusagen als alltägliches soziales Verhalten der Oberschicht registriert: Warum nicht kaufen, was man nicht hat?
Die Aufgabe der Weltmeisterschaft besteht vor allem daraus, Marketing für Katar zu betreiben. So wird den Journalisten und der Weltöffentlichkeit Wüstensand in die Augen gestreut. Die Katarer erklimmen mit ihren Maßstäben eine neue Stufe - bei fast allen diesen Punkten des Turniers. Es sind Wochen des Gigantismus - zumindest für den Handball.
Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, hat der deutsche Handballbund ausgewählte Freunde der Nationalmannschaft eingeladen. Diese sind allerdings schon lange dem DHB verbunden und daher ist diese Werbemaßnahme mindestens zwei Stufen unter der Aktion der Katarer einzuordnen. Schlimmer wiegt hingegen der Verdacht, dass Journalisten auf Kosten der katarischen Veranstalter in Doha weilen.
Für die Fans in Deutschland ist der Zustand in Katar zwar der nächste Beweis, dass ohne sie Sport nicht funktioniert. Allerdings sind sie auch das Beiwerk der Zirkuswelt des Sports, der durch das Fernsehen weltweit verbreitet wird. Ohne sie funktioniert die Show nicht, sie sind aber alle auch Teil der Show. Sie lassen sich einbinden von Moderatoren, von Stadion/Hallenmusik, von Toreinspielungen etc. - ob in der Bundesliga oder in Katar. Sie funktionieren auf Zuruf und haben zumindest in Katar immer gute Laune. Das alles wird akzeptiert - es gehört zum Event.
Insofern ist der Gedanke, sich als Fan kaufen zu lassen, nicht so weit entfernt, von dem, was Sport heutzutage in der Spitze ausmacht und deshalb ist das Verhalten der Katarer nur konsequent, aus deren Sicht fast schon logisch zwingend. Wenn alles kaufen zu kaufen ist, warum dann nicht auch vorgetäuschte Gefühle, etc.. Der Sport und die Fans sind lediglich das willkommene Vehikel, das die Botschaft der Freude und Ausgelassenheit in die Welt transportiert – das ist perfektes Marketing. Da sind selbst 250 Millionen gut angelegtes Geld - so hoch ist das Budget der WM.
Die spanischen Fans meinen, das konterkarieren zu können. Natürlich seien die Gefühle nicht echt und daher wenig wert, frei nach dem deutschen Schlager: „Ich bin froh auf der Welt zu sein, sagt die Biene zum Stachelschwein“. Es ist alles nicht so wichtig, lautet deren Botschaft - vor allem man ist da und hat Spaß daran.
Zur allgemeinen Entwicklung des Sports plane ich in der nächsten Woche einen weiteren langen Artikel. Katar wird für 2022 ein Problem bekommen, ein leistungsfähiges Team aufzustellen, da die Spielberechtigungsregeln der FIFA härter als die der IHF sind. Doch sind diese noch zeitgemäß?
Da allgemein angefragt wurde: Natürlich ist 'Werbung', jede Empfehlung dieses Blogs gerne gesehen. Macht dafür Werbung in Foren, Verteilern und so weiter. Kein Problem, ich freue mich - jederzeit auch über Kritik.
Wo ich schon bei Marketingmaßnahmen bin: Hier der Link zum Podcast zur
heutigen Radiosendung. Meinerseits leider mit vielen Ähms und Öhms ... . Wie sagt ein alts Sprichwort so schön: Übung macht den Meister.
Zu dem Interview mit den Göttinger Fans: Ich hoffe, es Euch in den nächsten Tagen zur Verfügung stellen zu können. Es ist sehr interessant.
Kommentar schreiben